Einsam treibt das Schiff in die Nacht.
Hinter
dunklen Wolken offenbart sich die Weite der Welten.
Rauschende
Wasser spielen vergessene Waisen in die Finsternis hinein.
Eisiger
Wind zieht von Norden herauf und treibt die Wolken, wie eine Schafherde,
vor sich her.
Ein unscheinbares Licht erscheint am Horizont.
Sanft
und rot schiebt sich die Silhouette des Mondes über die verhüllte
Erde,
und der Himmel, überfüllt mit hellen gleißenden Sonnen,
preist seinen Aufgang.
Die
ersten, tastenden Lichtstrahlen tanzen über die Wasser und lassen
abertausende Formen sichtbar werden:
Geschichten in der Ewigkeit,
niemals geboren, und doch schlummern sie in den gewaltigen, dunklen
Tiefen
und erzählen den stillen Bäumen und den stummen Steinen
von ihrem ihrem Weg durch das All der Welt; - von der Entstehung der
Welt und ihrem Untergang.
In
einem Fluß aus Zeit tanzen Wassertropfen,
übereinander, nebeneinander, verschmelzen miteinander, trennen
sich nur - um sich wieder zu vereinigen.
Einmal leuchtet ihr Antlitz der Schale des Mondes entgegen,
dann findet man sie wieder auf dem tiefsten Grund aller Tiefen.
Prächtig
schillernd im Spiel der einfallenden Lichter, doch selbst farblos,
treiben die Tropfen durch Nächte und Tage,
erfüllt mit der Sehnsucht ob ihrer eigenen Versuchung: zu sein
was sie sind ...
Ein
Fragment, das erkennt nur einen Teil des Ganzen zu bilden,
harrt in der Hoffnung zurückzukehren – eine Heimat zu finden.
Es ist kalt dort.
Der Mond steht inzwischen als Glanzpunkt am Himmel.
Seine silbrigen Strahlenfinger wandern durch Myriaden von Sternen,
die die Weite des Nachthimmels ausfüllen und ihre glänzende
Pracht darbieten.
Der
Wald rauscht unheimlich in dieses Bild hinein
und malt ein bedrohlich schönes Ebenbild des eben erwähnten.
Keine
Wolke verschleiert nunmehr das Bild der Unendlichkeit innerhalb derer
das Schiff geschaffen wurde.
Leise
und ruhig bewegt es sich durch die Wasser, an dessen Enden schwarze
Felsklippen,
wie eine riesige schwarze Grenze, dem Wasser den Zugang versperren.
Zwei
dunkle schwarze Wälle, von deren Zinnen der große Wald mahnend
herabschaut.
Das
Schiff schaukelt sanft im ziehenden Wasser und seine Statur spiegelt
sich tausendfach auf den kleinen Wellen wider.
Fast
beängstigend groß – im Widerschein der Nachtmusik –
reckt sich in der Ferne ein Gebirge in die Nacht.
Auf dem Deck des Schiffes verraten knarrende Dielen
die Anwesenheit seines Menschen.
Ein
alter Mann tritt in die kühle Nacht hinaus, auf seinen Armen trägt
er ein schlafendes Kind.
Der
Wind streicht durch sein ergrautes Haar und in seinen Augen spiegelt
das Licht des Mondes.
Ein
Lächeln umspielt sein Gesicht, doch auch Ungewißheit und
nagende Sorge.
Seine
Augen versuchen die Nacht zu durchdringen.
Er scheint zu warten.
Ein flammender Punkt am Horizont.
Erst
nur so groß wie ein beliebiger Stern,
reitet mit wildem Gelächter eine einzelne Gestalt aus einem Roß
aus Feuer,
in flammende Winde gehüllt, über das verschlafene Land hinweg.
Über
wartende Bäume und lauschende Menschen.
Über
Aufstieg und über Zerfall.
Wie
winzige Punkte erscheinen die massiven Wälder, verschwinden ins
Nichts.
Dunkle
Seen,
in deren Wassern sich die vergessenen Märchen jahrtausendealter
Kunst widerspiegeln,
bleiben verlassen und ungelesen zurück.
Stolze
Städte,
deren Höhepunkte voll rasender Lebenssucht lange schon
zu einem festen Bestandteil der Vergangenheit geworden waren,
deren Lehren zerschmettert und schließlich aufgefressen wurden
vom eilenden Fluß der Veränderungen.
Alle
Zeit ist nur eine Zeit und ein Wechsel der Umstände.
Langsam,
fast stetig, nähern sich Pferd und Reiter dem treibenden Schiff.
Im flammenden Widerschein, weitertreibend, scheint
das Schiff sich zu erinnern, -
an ein Leben, welches erfüllt schien mit Sinn und Zweck;
Tage, wo es wußte zugehörig zu sein, nützlich zu sein
und -
daß es etwas gab, was seinem Leben,
konnte man innerhalb seiner Existenzdauer überhaupt von so etwas
sprechen,
ein Ziel und damit eine Richtung gab.
Nun
schienen diese alten Tage und ihre Erinnerungen wieder in ihm zu sein:
Seine Bohlen und Planken erstrahlten von einem unirdischen Licht und
einer Wärme,
die Leben und Kraft verprachen.
Hätte
das Schiff all dieses und noch mehr erleben können;
Es hätte die Welt in sich aufgenommen und alles, jede Freude des
Welt wäre nun in ihm.
So
aber treibt es, scheinbar unberührt von all dem,
wie in stiller und schmerzlicher Agonie,
gebadet in Erinnerungen aus vergangener Süße und verlorenen
Träumen.
Nur wenige Augenblicke über dem Schiff verharren
die Kreaturen.
Flammen
umlodern diese seltsam furchtbare Erscheinung,
die mit schaurigem Grinsen auf einem Feuerroß thront, -
wie zum Gespött aller bestehender Gesetze der Welt.
Beide,
in der Luft stehend, schwebend über den Wassern, tauchen die Umgebung
in eine unwirkliche Lichterflut.
Schattenspiele
in den Bäumen und Felsen,
heißer Atemzug über das stille Land hinwegziehend.
Rote
Klippen, gleißende Wasser und ein alter Mann auf einem treibenden
Schiff.

Die Augen des alten Mannes begegnen nun dem unirdischen Blick
des Reiters
und er erkennt sein Leben, -
er sieht das Universum, sich selbst und seine Welten: Stellungen, Richtungen,
Motivationen und Ursachen.
Farben gleich ziehen Zeiten voller Zukunft an ihm vorbei - werden ein
fester Bestandteil der Vergangenheit.
Er
sieht Feuer und er sieht Eis...
Er
erlebt den ewigen Kampf dieser einzigen beiden Urgewalten,
eingebettet in ein drittes,
und er begreift die Entstehung seiner Welt:
Lichtstrahlen durchbohren die Ewigkeit.
Aus ihrem Abfall entspringt das Leben.
Er
sieht den Menschen das Land erobern, andere Menschen -
und schließlich sich selbst ...
Dieses
und noch mehr erkennt der alte Mann, im Anblick des Reiters gefangen,
der, auf seinem Flammenroß thronend, den Himmel zu beherrschen
scheint.

Eine verkörperte, allgewaltige Macht liegt
in den Zügen des Wesens,
welches nun den Arm ausstreckt und auf das Kind deutet.
Der
alte Mann nickt, wie in stummer Zustimmung.
Er
versucht dem Blick des Wesens zu fliehen und den Kopf zu senken,
doch er kann dieser Macht nicht weichen.
Tiefer
und tiefer zwingen die blicklosen Augen des Reiters ihn in seinen Bann.
Der
alte Mann fühlt seine inneren Widerstände zusammenbrechen;
er empfindet ein ziehendes Grausen und eine aufsteigende Kälte
dort,
wo sein altes Herz sein Blut durch die Adern pumpt.
Er
vermag keinen klaren Gedanken mehr zu fassen,
als aus dem ausgestreckten Arm der Kreatur eine Flammenbahn herausbricht
und sich
auf das Schiff niedersenkt, das sofort Feuer fängt.
Prasselnd und knackend lösen sich die ersten
Holzplanken aus ihrer Verankerung
und die ersten züngelnden kleinen Flammen lecken gierig nach den
Beinen des alten Mannes,
der in seiner scheinbaren Teilnahmslosigkeit verharrt.
Der
helle Flammenschein des sterbenden Schiffes wirft schaurige Schattenbilder
über die ständig unruhiger werdenden Wasser, auf die stillen
Felsklippen.
Ein
vom Nachtwind zufällig herbeigewehtes Blatt treibt abwartend an
der unwirklichen Szenerie vorbei, und verschwindet in der Vergessenheit.
Das Schiff lodert nun hell, wie eine riesige Fackel,
in die dunkle Nacht hinein.
Es
hat schon längst jenes verloren,
um dessentwillen zum Zweck es einst erdacht und erschaffen wurde.
Traurige
Träume begleiten den letzten Weg seines Lebens:
Junger Pflanzenwuchs,
krönend den Erfolg seiner Entstehung, bildet sich heran zu mächtigen
Bäumen;
Phantasien der Erde,
deren Gedanken und Wünsche Gestalt geworden waren, dämmern,
warten auf den Moment der heiligen Erfüllung.
Ihre gewaltigen Äste den Sternen entgegengereckt, suchend ...
Dann
kommt der Mensch
und mit ihm kommen Schmerz und Tod.
Sein Weg heißt Vernichtung.
Sein Same Tyrannei.
Bäume fallen unter seinen Schlägen und was ist Gerechtigkeit?
Ein flammendes Mahnmal auf einem dunklen Fluß..
Ein
alter Mann, umschlossen von Flammen.
Die
Hitze reißt Risse in austrocknendes Leben.
Das
schlafende Kind ist fort – und mit ihm die Kreaturen.
Der
alte Mann weiß nicht wohin,
und er verschwendet auch keinen Gedanken daran.
Er
lächelt.
Allem Vergangenen zum Trotz.
Und sieht den Weg seines Weges sich kreuzen.
Er
gibt sich hin,
läßt sich hineinfallen in das unabwendbare Lied des Todes
und verliert nichts.
Sein
Weg ist nun sein Schicksal und noch immer lächelt er ...
Noch
lange, als schon die gierigen Flammen nach der zarten Blüte seines
Lebens lecken
und vielleicht noch,
wenn er und das Schiff schon längst ein Teil der Wasser –
des Stromes geworden sind.
Ein letzter Gedanke eilt zu dem Kind
und in seinem ganzen Bestand weiß der alte Mann nun, daß
es niemals eine Zukunft gab und niemals geben wird.
Alles
war, ist und bleibt stets ein Teil der Gegenwart,
rinnend auf einem viel gewaltigeren Strom – dem Strom der Zeit
– dem Strom aller Zeiten.
Dem
Strom des Lebens.
Dem Strom der Welten.
Ein
letztes Aufleuchten und dann ist es vorbei;
das Schiff zerfällt in seine Bestandteile und mit ihm der Mensch.
Die
Wasser zischen, dampfen, als die glühenden und brennenden Teile
seinen Leib berühren,
aber sie begehren nicht dagegen auf, -
sie scheinen sich nicht daran zu stören.
Die Wasser kennen keinen Schmerz
und so verschwinden auch die letzten Reste dieser Geschichte in den
Fluten des Stromes.
Treiben
voran mit dem Strom auf der ewigen Suche:
Vom Anfang zum vermeintlichen Ende,
nur um dort erneut aufzubrechen – niemals anhaltend,
längst schon ein Teil des Stromes geworden,
immer vorwärts – in eine neue Welt.
Zurücklassend
die stille Nacht mit ihren Myriaden von Sternen,
dem längst schon im Zenit stehenden Vollmond,
die dunklen Wälder und die schwarzen Felsklippen.
Alles,
was dieser Geschichte angehörte oder nur beiwohnte,
treibt der Strom nun weiter fort.
Fort von einer anderen Wirklichkeit.
In
der wir nur Beobachter waren ...